19. Juli 2023

Das VIA Ventures Internationalisierungsmodell für Start-ups

Die internationale Expansion ist für jedes Start-up eine der entscheidenden strategischen Bewegungen zur weiteren Entwicklung. Dennoch wagen die meisten der internationalisierenden Start-ups die ersten Schritte Richtung Ausland ohne ausreichende Analysen oder strategische Leitplanken. Das von VIA Ventures entwickelte Internationalisierungsmodell für Start-ups strukturiert die Fokusbereiche vor und während der Internationalisierung und zeigt Best Practices auf. 

von Radu-Andrei Maldea

Die internationale oder gar globale Expansion ist für alle gut wachsenden Start-ups, die Unicorn-Ambitionen haben, ein unumgänglicher Teil ihrer Strategie. Bei sogenannten “born-globals”, Start-ups, welche aufgrund ihres Geschäftsmodells bereits beim Markteintritt internationalisieren, kommt dieser Schritt sehr früh in der Entwicklung. Oftmals sind “born-globals” e-commerce Start-ups, die durch globale Webshops als Vertriebskanal und lokal-nationales Marketing einfach internationalisieren können. Etwas später in ihrer Entwicklung internationalisieren Start-ups aus kleinen Heimatmärkten wie der Schweiz oder Norwegen. Am spätestens internationalisieren Start-ups aus großen Heimatmärkten mit sehr guter nationaler Wirtschaft und mit Geschäftsmodellen, welche direkten Vertrieb vor Ort benötigen – Enterprise Software Start-ups aus Deutschland beispielsweise. 

Unabhängig vom idealen Zeitpunkt der Internationalisierung muss dieses große Vorhaben optimal geplant und umgesetzt werden. Für alle Gründer:innen oder Führungs-positionen von Start-ups ist das keine einfache Übung. Es gibt schließlich eine Großzahl an möglichen Zielmärkten mit unterschiedlichen Größen und Wachstumsraten, abweichende Kundenpräferenzen für das Produkt und den Vertrieb, neue Wettbewerber, verschiedene mögliche Eintrittsmodelle und möglicherweise neue Geschäfts-einheiten, die koordiniert werden müssen. Die Komplexität der Analysen und strategischen Entscheidungen wird dadurch erhöht, dass die Fokusbereiche abhängig voneinander sind. Muss das Produkt stark an lokale Kundenpräferenzen angepasst werden, muss der Eintritt in den Zielmarkt dementsprechend angepasst werden. Bei wenigen Wettbewerbern und Vertriebspartnern im Zielmarkt eignet sich beispielsweise kein Joint-Venture als Entrittsmodell. 

Um all diese Fokusbereiche zu strukturieren und sicherzustellen, dass Start-ups sie in Gänze bedenken sowie die Abhängigkeiten untereinander verstehen haben wir bei VIA Ventures das Internationalisierungsmodell für Start-ups entwickelt. 

Das Problem:

Start-ups führen unstrukturiert und unzureichend Analysen für ihre Internationalisierungsvorhaben durch.

Die Lösung:

Das VIA Ventures Internationalisierungsmodell für Start-ups strukturiert alle wichtigen Fokus-bereiche für die Internationalisierung von Start-ups und zeigt Best Practices auf.

Die Powerkurve von internationalisierenden Start-ups

Um das VIA Ventures International-isierungsmodell für Start-ups zu postulieren, haben wir Daten von 51 internationalen Start-ups gesammelt und ausgewertet. Dabei waren die meisten Start-ups 1 bis 6 Jahre alt, stammten aus Deutschland, hatten ein SaaS Geschäftsmodell, haben bereits 1 Million Euro bis 10 Millionen Euro Funding eingesammelt. Die erhaltenen Daten beziehen sich auf die Fokusbereiche, welche die Start-ups angegangen sind, wie sie diese ausgestaltet haben und wie ihre Internationalisierungsperformance war. Wir haben die Start-ups entlang ihrer Performance aufsteigend angeordnet, um eine Powerkurve zu erstellen, welche von McKinsey & Company im Buch „Strategy Beyond the Hockey Stick“ verwendet wurde. 

Fig. 1: Die Powerkurve von internationalisierenden Start-ups

So konnten wir die „Internationalen Champions“ identifizieren, welche die beste Performance erreicht haben. Wir haben infolgedessen diese Gruppe an Start-ups verwendet, um die wichtigsten Fokusbereiche zu identifizieren und zu synthetisieren, wie sie diese ausgestaltet haben, um diese hohe Performance zu erreichen.

Das VIA Ventures Internationalisierungsmodell

24% der befragten Start-ups haben sich als „Internationale Champions“ qualifiziert und haben Aufschluss darüber gegeben, welche Fokusbereich sie für die Internationalisierung bearbeitet haben. Die 13 Fokusbereiche, welche die „Internatio-nalen Champions“ bearbeitet haben gliedern sind in drei Kategorien auf und stellen gemeinsam das VIA Ventures Internationalisierungsmodell dar.

Fig. 2: Das VIA Ventures Internationalisierungsmodell

Die „Planungsaktivitäten“ beschrei-ben die Vorbereitung auf den aufkommenden Internationalisierungs-prozess, bevor dieser beginnt. Dafür muss festgelegt werden, in welcher Organisationsstruktur die Internationali-sierung geplant werden soll (z.B. als Task Force oder neue Abteilung) und welche Abteilung und Positionen die Hauptverantwortlichkeit haben (z.B. der CEO oder der Head of Sales). Außerdem müssen die Gründe für diegeographische Expansion festgelegt werden (z.B. um die interne Effizienz zu erhöhen oder Zugang zu neuen Ressourcen zu haben). Ebenfalls muss bestimmt werden, welche Kriterien für das Aussuchen der Eintrittsmärkte verwendet werden sollen (z.B. die Marktgröße oder gesellschaftliche Länderunterschiede).

Die „Markteintrittsaktivitäten“ be-schreiben den Einstieg und den Beginn der Geschäftstätigkeiten in den neuen Eintrittsmärkten. Um diesen Einstieg zu planen, muss zuerst der Betriebsmodus ausgesucht werden (z.B. lokale Niederlassung oder Export mit Partnern). Danach muss die Eintrittsart bestimmt werden (z.B. mit einer Akquisition oder von Grund auf selbst aufgebaut). Zuletzt muss der Internatio-nalisierungspfad definiert werden (z.B. nur zu einem Nachbarland oder gleichzeitig in verschiedene Länder in verschiedenen Kontinenten). 

Die „Globalen Managementakti-vitäten“ beschreiben die kontinuierlichen länderübergreifenden Koordinierungsaufgaben, welche nach Markteintritten in neue Eintrittsmärkten anfallen. Die Rolle(n) der lokalen Niederlassung(en) (z.B. strategischer Leader oder schwarzes Loch) und die internationale Strategie (z.B. globale Strategie oder transnationale Strategie) müssen festgelegt werden. Das Level für die Integration und für die Adaptation der Aktivitäten in der Wertschöpfungskette müssen kalibriert werden (z.B. für F&E, Marketing oder HR). Es muss entschieden werden, wie stark das Produkt an die Präferenzen der Kunden in den neuen Eintrittsmärkten angepasst werden soll (z.B. sehr stark oder gar nicht). Zuletzt muss erarbeitet werden durch welche Mechanismen der Wissenstransfer zwischen den verschiedenen internationalen Niederlassungen in den verschiedenen Ländern und den HQ im Heimatland passieren soll (z.B. Diversity Trainings oder internationale Jobtransfers).

Um eine erfolgreiche Internationalisierung zu planen und durchzuführen, sollten all die aufgezählten Fokusbereiche bei der Ausarbeitung berücksichtigt werden.

Best Practices für die Internationalisierung von Start-ups

Wir haben in einem letzten Schritt analysiert, wie die „Internationalen Champions“ die bereits beschriebenen Fokusbereiche ausgearbeitet und festgelegt haben, um ihre hohe internationale Performance zu erreichen. Dadurch konnten wir allgemeine Best Practices identifizieren, die für alle Start-ups ein Startpunkt für strategische Diskussionen sein können. Die Wichtigsten davon fassen wir hier zusammen.

Innerhalb der „Planungsaktivitäten“ hat sich gezeigt, dass die Internationalisierung am erfolgreichsten innerhalb eines neuen Departments ausgearbeitet wird, welches sich ausschließlich damit beschäftigt. Es ist außerdem wichtig, dass die Internationalisierung CEO-Angelegenheit ist. Die „Internationalen Champions“ rücken allerdings ebenfalls die Head of Strategy oder Head of Business Development in die Hauptverantwortung, neben der CEO. Während die meisten Start-ups die Steigerung des Marktanteils und des Umsatzes als Hauptgrund für die Internationalisierung anführen, haben die „Internationalen Champions“ ebenfalls die Gewinnung von Ressourcen oder Strategischen Assets als sekundäre Ziele. 

Bezüglich der „Markteintritts-aktivitäten“ ist eine höhere Performance bei Start-ups zu sehen, die eigene Vertriebsbranchen oder ganze Niederlassungen im Ausland platzieren, statt selbst oder mit Partnern zu exportieren. „Internationale Champions“ vollziehen den Markteintritt in neue geographische Märkte seltener durch Akquisitionen oder Joint-Ventures und bauen ihre ausländischen Organisationen selbst von Null an auf. Außerdem favorisieren „Internationale Champions“ eine graduelle Expansion beginnend mit einem Nachbarland statt mehrere Markteintritte in Länder auf einem oder mehreren Kontinenten parallel anzugehen. 

Schaut man sich die „Globalen Managementaktivitäten“ an, ist zu sehen, dass die Niederlassungen in strategisch wichtigen Ländern platziert werden und diese von Beginn an oder über Zeit viele Ressourcen und hohe Autonomie zugeteilt bekommen. „Internationale Champions“ wählen eine klare internationale Strategie aus und fokussieren sich je nach Geschäftsmodell und Industrie entweder auf eine starke Koordinierung zwischen den internationalen Aktivitäten für Effizienzgewinnen oder eine starke Adaptation aller Aktivitäten an nationale Gegebenheiten ohne Abhängigkeiten zwischen den verschiedenen Niederlassungen. Sie vermeiden jedoch eine gleichzeitige Fokussierung auf beides. Unabhängig von der internationalen Strategie ist jedoch zu erkennen, dass „Internationale Champions“ ihr Produkt viel stärker an die Präferenzen der neuen Eintrittsmärkte anpassen. Hinzukommend, passen „Internationale Champions“ in Bezug auf ihre Wertschöpfungskette die Vertriebs- und die Marketing-Aktivitäten an Präferenzen der neuen Eintrittsmärkte an und lassen sie größtenteils unabhängig voneinander zwischen den Niederlassungen. Auf der anderen Seite steuern sie Produktions-, HR-, und Kultur-Aktivitäten zentral von dem Hauptquartier aus, um den Wissenstransfer zwischen den Niederlassungen zu forcieren. 

Die vorgestellten Best Practices haben eine grundsätzliche allgemeine Gültigkeit, müssen jedoch je nach Industrie, Geschäftsmodell und Strategie angepasst werden. Sie können jedoch sehr gut als Hypothesen für strategische Diskussionen verwendet werden.

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Das VIA Ventures Internationalisie-rungsmodell für Start-ups stellt eine ganzheitliche Struktur für die Planung und den Aufbau von Auslands-aktivitäten von Start-ups dar. Das Ziel von dem Modell ist es, Gründer:innen und Führungskräfte von Start-ups Leitplanken für die strategischen Entwicklung der Internationalisierung zu geben, indem sie einen klaren Überblick über die „Planungsaktivitäten“, die „Markteintrittsaktivitäten“, sowie die „Globalen Managementaktivitäten“ erhalten. Zuletzt zeigen die Best Practices der „Internationalen Champions“ auf, welche strategischen Entscheidungen von Start-ups mit überdurchschnittlicher internationaler Performance getroffen wurden.

Sollte Interesse an der detaillierten Datenauswertung (in englischer Sprache) bestehen, schreib uns gerne eine kurze Mail mit der Bitte an viaventures@via-ev.de, um das dazugehörige pdf-Dokument zu erhalten.

Wichtiges
zum mitnehmen

Das VIA Ventures Internationalisierungsmodell für Start-ups

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