Early-Stage Start-up Perspektiven in der Rezession
Der Markteintritt hat für jedes junge Start-up höchste Priorität. Denn direktes Kundenfeedback erhält es nur, sobald das Produkt am Markt ist. Dennoch sollten Gründer nicht mit der erstbesten Strategie eintreten, sondern bewusst zwischen möglichen Alternativen wählen.
Während viele Unternehmen weltweit noch mit den wirtschaftlichen Folgen der COVID-19-Pandemie zu kämpfen hatten, erging es vielen Start-ups überraschend gut in der Zeit der Lockdowns und des New Normal. Insbesondere digitale Geschäftsmodelle gingen durch die Decke, beinahe unabhängig von Ihrer Industrie oder Ihrer Zielgruppe. Infolgedessen war es in Europa einfacher als je zuvor Investoren zu gewinnen. Laut Dealroom.co hat das Jahr 2021 allein Seed Funding in Höhe von 8,4 Milliarden US Dollar für europäische Start-ups eingebracht – ein Wert, der über 80% über Vergleichswerten vor der Pandemie liegt. Die befürchtete Rezession blieb noch aus.
Das Blatt hat sich in diesem Jahr jedoch gewendet. Steigende Rohstoff- und Energiepreise sorgen für Verunsicherung an den Kapitalmärkten und diesmal ist insbesondere die in den letzten Jahren boomende Technologiebrache betroffen. Damit sehen sich viele neu gegründete Unternehmen mit einer schwierigen Realität konfrontiert: einer bevorstehenden Rezession. Dies kann für jedes Unternehmen eine schwierige Zeit sein, aber für junge Unternehmen, die noch versuchen Fuß zu fassen, ist es besonders hart. Denn die meisten Start-ups setzen natürlich auf Geschäftsmodelle, die im höchsten Maße skalierbar sind und dann auch sehr profitabel werden. Dafür werden in frühen Gründungsphasen oftmals starke Verluste in Kauf genommen, die durch Fundraising und Investoren aufgefangen werden sollen.
Noch im letzten Jahr befanden wir uns am Höhepunkt der sog. Ära des billigen Geldes – Investoren waren einfach zu finden und es herrschten günstige Konditionen im Fundraising Prozess für Start-ups. Somit war es möglich noch aggressiver auf langfristige Profite zu pokern und selbst krasse kurz- bis mittelfristige Verluste auszugleichen. Doch angesichts einer bevorstehenden Rezession hat sich das Sentiment gedreht (siehe Grafik). Geld ist plötzlich sehr teuer geworden und Start-ups, die aktuell Fundraising betreiben müssen, können keine guten Konditionen erwarten, wenn sich überhaupt Geldgeber finden lassen. Das erste Mal seit fast 15 Jahren wird weniger in Start-ups investiert als im Vorjahr. Unternehmensbewertungen sinken teilweise drastisch während Kosten steigen.
Aber nur weil die Zeiten hart sind, heißt das nicht, dass Start-ups das Handtuch werfen sollten. Im Gegenteil, eine Rezession kann für Gründer sogar eine Chance sein, sich von der Konkurrenz abzuheben und ihr Unternehmen für langfristigen Erfolg zu positionieren. Denn viele der erfolgreichsten Start-ups aller Zeiten wie Microsoft, Uber, Airbnb oder Instagram wurden während Rezessionen gegründet.
Was sollten Start-ups also tun, um in einer Rezession erfolgreich zu sein? Hier sind einige wichtige Strategien, die Ihr berücksichtigen solltet:
Priorisiert Cashflow. Eine der größten Herausforderungen, mit denen Start-ups in der Rezession konfrontiert sind, ist der Mangel an Liquidität. Da die Kunden den Gürtel enger schnallen und die Investoren vorsichtiger werden, ist es für Gründer wichtig, ihren Cashflow sorgfältig zu verwalten. Das kann bedeuten, dass Ihr Rabatte (Skonto) oder andere Anreize anbietet, um Kunden dazu zu bewegen, ihre Rechnungen schneller zu bezahlen oder dass Ihr nach Möglichkeiten sucht, zusätzliche Einnahmequellen zu erschließen. Das oberste Ziel, selbst weniger bezahlen und schneller bezahlt werden!
Kosten senken. Klingt wenig überraschend, aber eine weitere wichtige Strategie für Start-ups während einer Rezession ist die Konzentration auf Kostensenkungsmaßnahmen. Die Ära des billigen Geldes hat zu überhöhten Ausgaben eingeladen und nun muss in vielen Start-ups Paradigmenwechsel vollzogen werden. Das kann oft bedeuten die gesamte Kostenplanung umzuwerfen, jede Kostenposition neu zu betrachten und zu optimieren. In einigen Fällen kann das ebenso bedeuten, dass man Mitarbeiter entlassen muss, wie es derzeit auch in vielen absoluten Top Start-ups zu beobachten ist. In jedem Fall besteht das Ziel darin, die Burn-Rate zu senken, um den Runway zu verlängern, d. h. die Zeit, die einem Start-up bleibt, bevor das Geld ausgeht. In der aktuellen Zeit ist ein Runway von mindestens 12 Monaten empfehlenswert, um die Zeit der schlechten Konditionen am Venture Capital Markt aussitzen zu können. Mit jeder Funding Runde sollte dann ein Runway von mind. 18-24 Monaten geschaffen werden.
Seid flexibel und anpassungsfähig. Eine Rezession ist eine Zeit der Unsicherheit, und Existenzgründer müssen darauf vorbereitet sein, sich an veränderte Marktbedingungen anzupassen. Das kann bedeuten, dass man sich auf ein neues Geschäftsmodell umstellen oder neue Wege zur Erzielung von Einnahmen finden muss. Durch die Bereitschaft, zu experimentieren und neue Dinge auszuprobieren, können Start-ups ihre Erfolgschancen in einer Rezession erhöhen.
Konzentriert Euch auf den Kundennutzen. In einer Rezession sind die Kunden besonders wertbewusst. Daher ist es für Start-ups wichtig, sich auf die Bereitstellung hochwertiger Produkte und Dienstleistungen zu konzentrieren, die einen echten Mehrwert bieten. Das kann bedeuten, dass Ihr zusätzliche Funktionen oder Dienstleistungen anbietet, oder dass man einen außergewöhnlichen Kundenservice leistet. Indem Ihr Euch auf den Kundennutzen konzentriert, könnt Ihr Euch von der Konkurrenz abheben und loyale, langfristige Kunden mit hohen Customer Lifetime Value aufbauen.
Seid opportunistisch. Wenn es Euch aktuell gut genug geht, bietet eine Rezession auch viele Möglichkeiten. Entlassungen in erstklassigen Technologieunternehmen und anderen Start-ups bieten zum Beispiel billigeren Zugang zu großartigen Talenten – Ihr könnt die Gunst der Stunde also beispielsweise dazu nutzen Euer Team auf ein neues Level zu bringen.
Bewahrt ein positives Mindset. Schließlich ist es für Gründer wichtig, während einer Rezession eine positive Einstellung zu bewahren. Es ist zwar leicht, sich von den wirtschaftlichen Herausforderungen entmutigen zu lassen, aber es ist wichtig, sich daran zu erinnern, dass Rezessionen vorübergehend sind und dass sie Chancen für Start-ups bieten können, die bereit sind, Risiken einzugehen und kreativ zu denken. Außerdem sind konkurrierende Start-ups zumeist gleichermaßen von der wirtschaftlichen Lage getroffen. Wenn Ihr positiv und konzentriert bleibt, kann Euer Start-up die Rezession nicht nur überleben, sondern gestärkt und widerstandsfähiger aus ihr hervorgehen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass eine Rezession eine schwierige Zeit für Start-ups sein kann, aber sie bietet auch Chancen für Gründer, die bereit sind, strategisch umzudenken und sich an die veränderten Marktbedingungen anzupassen. Indem Ihr dem Cashflow Priorität einräumt, die Kosten senkt, flexibel, anpassungsfähig und opportunistisch seid, Euch auf den Kundennutzen konzentrieren und eine positive Einstellung bewahrt, können Eure Start-ups die Rezession nicht nur überleben, sondern auch in solch schwierigen Zeiten erfolgreich sein.
Wichtiges
zum mitnehmen
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